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Echte Geschichten: High-need, Stillprobleme, Einsamkeit

Dass meine erste Tochter ein high-need Baby war, habe ich erst so richtig realisiert, als meine zweite Tochter keines war. Mein Mann und ich waren kurz vor der Geburt in eine neue Stadt gezogen, zusätzlich herrschte eine Pandemie, sodass wir kein soziales Umfeld hatten, uns also auch niemand besuchte und somit niemand mit Erfahrung unsere Situation betrachten konnte. Auch eine Hebamme hatte ich nicht - rückblickend aus eigener Dummheit, da ich auf meine zwei einzigen Freundinnen mit Kindern damals gehört hatte, die meinten, „Nein, also die Hebamme habe ich eigentlich nicht gebraucht. Die habe ich nach ein paar Tagen nach Hause geschickt. Es lief alles.“. Mein Mann hatte gerade seinen neuen Job in der neuen Stadt angefangen und hatte sich nicht frei genommen, da wir auch hier das Wochenbett komplett unterschätzt hatten. (die 2 Wochen Vaterschaftsurlaub gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht.)

 

So sass ich da, alleine mit meinem klitzekleinen Baby, das in seinen Wachphasen immer nur schrie und unzufrieden war. Das Stillen klappte von Anfang an überhaupt nicht. Schon im Spital, nahm die Kleine die Brust zwar in den Mund, aber saugte nicht. Man muss dazu sagen, dass sie untergewichtig geboren wurde. Davon spricht man, wenn ein voll ausgetragenes Baby (also kein Frühchen) unter 2.500g wiegt. Sie wog 2.440g. Somit ging es schon im Spital mit dem Abpumpen los, jedoch liess die Milch auf sich warten. Da die Kleine bei so einem niedrigen Gewicht nicht abnehmen sollte, legte man mir nahe zuzufüttern, erst mit dem Löffel, aber als meine Milch weiterhin vermeintlich nicht reichte, am nächsten Tag mit dem Schoppen. Ich wusste, dass man dies vermeiden sollte, aber ich fühlte mich völlig überrumpelt von der neuen Situation und vertraute der Stillberaterin im Spital. Zusätzlich gab man mir Stillhütchen, an denen mein Baby lernen sollte zu trinken. Meine Tochter hatte aber nicht mal die Kraft, die Spitze des Stillhütchens mit Milch voll zu bekommen.

 

Wieder zu Hause entstand ein schrecklicher Kreislauf aus Stillversuch – gescheitert – Abpumpen, während das Baby schon brüllt – Schoppen mit Muttermilch füttern – Milch reicht nicht – Baby brüllt immer noch – Schoppen mit Pre vorbereiten – Schoppen füttern. Danach schlief sie, wenn ich Glück hatte, ein wenig. Die Zeit wurde dann jedoch genutzt, um die Pumpe und Schoppen zu reinigen und endlos im Internet nach Stilltipps zu recherchieren. Wenn ich hörte, dass sie aufwachte, kam schon die Panik in mir hoch, denn ich wusste, jetzt geht das endlose Geschrei wieder los.


Auch in der Nacht und am Morgen wachte sie von 0 auf 100 mit einem schrecklichen Geschrei auf. Ich dachte die ganze Zeit, dass das bei allen Babys so sei, und Mütter DAS meinten, wenn sie sagten, mein Baby war heute Nacht 3 Mal zum Stillen wach. Aber nein. Bei meiner zweiten Tochter habe ich realisiert, dass die meisten Babys langsam wach werden, anfangen sich mehr zu bewegen und sanfte Geräusche von sich geben, und man sie dann ohne Stress anlegen kann. Nicht so meine erste Tochter. Ich wurde mehrmals die Nacht wie von einem Feueralarm aus dem Schlaf gerissen und der Tag startete sicher nicht mit Kuscheln im Bett, sondern ich musste SOFORT aufspringen und ein brüllendes Baby herumtragen, bevor ich selber mal auf der Toilette war.


Ich hatte die ganze Zeit schon die Vermutung, dass „etwas nicht stimmte“, aber am Ende habe ich den Gedanken immer wieder weggewischt, da ich mir letztendlich dachte, „Babys schreien eben.“. Deshalb habe ich mir nie Unterstützung in Form von Kinderarzt, Osteopath oder Hebamme geholt. Ehrlicherweise auch aus dem Grund, weil der Mental Load von dort Anrufen, einen Termin machen, dort pünktlich erscheinen, den Termin mit einem schreienden Baby durchstehen, zu dem Zeitpunkt zu viel war.


Das erste Mal so richtig „in der Öffentlichkeit“ war ich mit meinem Baby als es knapp 8 Monate alt war, die Pandemie sich etwas gelegt hatte, und wir an einem Pekip-Kurs teilnehmen konnten. Auch das erste Mal, dass ich andere Babys in ähnlichem Alter kennenlernte. Ich beobachtete die anderen Babys ganz genau und fühlte mich erstmals etwas mehr bestätigt, dass es sich bei meiner Tochter um ein high-need Baby handeln könnte. Die anderen Babys lagen tiefenentspannt da, machten freudig die Übungen mit, einer schlief sogar während des Kurses auf der Matte ein…WTF!! Ich war erleichtert, dass auch meine Tochter gut mitmachte, oder wenigstens nicht schrie. Am Ende des Kurses sagte die Kursleiterin trotzdem zu mir: „Ich hoffe, es war okay für sie. Ihrer Tochter hat es ja nicht so gefallen.“ Diese Aussage verstand ich überhaupt nicht, da es aus meiner Sicht echt gut gelaufen ist. Also wieder ein Punkt an dem ich dachte, hm irgendwas ist bei uns anders.


In dem Kurs lernte ich auch eine Mama mit einem Frühchen kennen, die ganz genau die gleichen Erfahrungen gemacht hatte wie ich, was mir total geholfen hat, da ich mich von ihr verstanden gefühlt habe. Mütter mit „einfachen“ Babys haben mir oftmals Tipps gegeben, ein bisschen mit der Attitude, "Mein Baby ist so zufrieden, weil ich das so toll mache.". Ich, mit heute zwei ganz unterschiedlichen Babys, kann jedoch sagen, so ist es nicht! Dass euer Baby ruhig und zufrieden, oder laut und unzufrieden ist, hat sehr wenig mit euerm Handeln zu tun, sondern sehr viel mit dem Temperament des Babys.


Gerade das Thema Stillen bzw. nicht-Stillen hat mich lange verfolgt, vielleicht sogar traumatisiert. Ich habe mich so unendlich schlecht gefühlt, dass ich es nicht geschafft habe, zum Vollstillen zu kommen, und letztendlich nach 3 Monaten ganz abgestillt habe. Wenn ich in der Öffentlichkeit den Schoppen gegeben habe, habe ich (eingebildete) verurteilende Blicke auf mir gespürt, und wenn ich Pre gekauft habe, hätte ich der Kassiererin am liebsten meine Geschichte erzählt, damit sie mich nicht verurteilt.


Die Essenz, die sich Mamas aus meiner Gesichte rausziehen sollen, die gerade in dieser schweren Anfangszeit mit high-need Baby oder Stillproblemen stecken: Es ist nicht eure Schuld. Ihr macht nichts falsch. Ihr seid eine gute Mutter. Und holt euch frühzeitig Unterstützung, wenn ihr ein komisches Gefühl habt.


Patricia, aus dem Aargau

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